Weltmeister Ponomarjow fordert Vorgänger Anand

„Duell der Grazien“ bei den Chess Classic Mainz gegen Alexandra Kostenjuk: Elisabeth Pähtz geht vorher zum Friseur 

Von Hartmut Metz

Ruslan PonomariovSportlich besteht kein Zweifel an dem Hit: FIDE-Weltmeister Ruslan Ponomarjow fordert seinen Vorgänger Viswanathan Anand – und nicht umgekehrt. Der Inder ist bei seinem Lieblingsturnier, den Chess Classic Mainz (CCM), klarer Favorit. Während der Ukrainer im Schnellschach bisher keine Bäume ausriss, gewann der „Tiger von Madras“ zuletzt das Superturnier in Prag. Dort war die komplette Weltelite versammelt – bis eben auf Ponomarjow, was wiederum den Wettkampf über acht Partien vom 16. bis 18. August (täglich ab 18.30 Uhr) in der Rheingoldhalle besonders interessant macht. Der 18-Jährige aus Kramatorsk wird bemüht sein, sich nicht vom inoffiziellen Schnellschach-Weltmeister und Träger des schwarzen Jacketts, das jeder Gesamtsieger bei den Chess Classic erhält, vorführen zu lassen.

Ponomarjow und der Weltranglistendritte Anand sind auch noch bei weiteren Wettbewerben im Congress Center Mainz tätig: Der FIDE-Weltmeister gibt am 14. August um 16 Uhr ein Simultan an 40 Brettern. Eine Stunde später tritt Alexandra Kostenjuk gegen 25 Kontrahenten an. Ein Teil der Plätze wird auf der offiziellen Webseite der Chess Classic Mainz, www.chesstigers.de, versteigert. wird tags darauf um 18.30 Uhr ein Handicap-Match gegen Jens Beutel bestreiten. Der Oberbürgermeister von Mainz spielte einst in der dritten deutschen Liga und kann mit einem leistungsstarken Computer durchaus den Computer-Experten vom Subkontinent gefährden. Der 32-jährige CCM-Titelverteidiger bekommt ein schwächeres Gerät an seine Seite. Einen ähnlichen Wettkampf mit Programmen bestreitet der Weltranglisten-16. Peter Swidler gegen einen Prominenten, der derzeit noch geheim gehalten wird. Weniger Top Secret ist, dass die Software auf beiden Seiten von der Hamburger Firma ChessBase stammt, die schon seit Jahren große Auftritte mit ihren Produkten bei den Chess Classic hatte. Das bekannte „Fritz“ trumpfte bereits gegen die Weltklasse auf. Im Vorjahr spielte „Pocket Fritz“ gegen den Ungarn Peter Leko. 

Vor den Hauptveranstaltungen an den Abenden vom 15. bis 18. August messen sich mehrere hundert Spieler beim Chess960 Open – dort wird unter neuem Namen Fischer Random Chess gespielt – und dem Ordix Open. Letzteres ist das weltweit am besten besetzte offene Schnellschach-Turnier. Insgesamt gibt es dabei 30.000 Euro an Preisgeldern zu gewinnen.

Elisabeth PaehtzEin besonderer Leckerbissen findet gleichzeitig zum „Duell der Weltmeister“ statt: Hans-Walter Schmitt verpflichtete mit Alexandra Kostenjuk die vermutlich derzeit populärste Schachspielerin – trotz Judit Polgar. Außerdem gewährt er auf der großen Bühne mit den Champions der deutschen Nachwuchshoffnung Elisabeth Pähtz eine einmalige Bewährungschance: Die 17-jährige WM-Achtelfinalistin aus Erfurt trifft im „Duell der Grazien“ auf die 18-jährige Vizeweltmeisterin Alexandra Kostenjuk. Die Russin machte als „Anna Kurnikowa des Schachs“ Schlagzeilen. Mit recht freizügigen Fotos auf der Webseite des Schachweltverbandes FIDE war die „Lolita“ bereits vor der WM im Dezember in den Blickpunkt gerückt. Die nicht minder adrette Elisabeth Pähtz kontert gewohnt kühl und mit spitzer Zunge: „Mit viel Schminke kann man jede hübsch machen.“ Vorsichtshalber will sie aber vor dem Match über acht Schnellschach-Partien „zum Friseur gehen“. Und dass sie in Mainz am Brett gut aussieht, glaubt die Kerstlebenerin fest, „sofern ich nach der schlechten EM in Bulgarien wieder meine Form finde. Seit wir mit zehn Jahren erstmals aufeinander prallten, sind wir Erzrivalinnen. Bisher führe ich gegen Kostenjuk mit 3,5:2,5 Punkten!“

Topfeld nicht nur im Ordix Open

Prall gefüllter Preisfonds bei den Chess Classic Mainz / Portisch spielt nicht nur gegen Bobby Fischer „Chess960“ 

Von Hartmut Metz

 Das stärkste und größte Schnellschach-Open der Welt setzt auch 2002 neue Maßstäbe. Die Open-Turniere bei den Chess Classic Mainz (CCM) sind diesmal mit insgesamt 30.000 Euro dotiert. Im Vorjahr gab es „nur“ 45.000 Mark beim Ordix Open zu verdienen. Die 10.000 Mark für den Sieger heimste der Weltranglistenfünfte Michael Adams ein. Mit 9,5/11 lag der Engländer einen halben Punkt vor dem Schweizer Vadim Milov. Weltklassespieler wie die russischen Asse Sergej Rublewski (ebenfalls 9 Punkte/4.), Alexej Drejew (7.), Peter Swidler (beide 8,5) und der damalige Weltranglistenvierte Alexander Morosewitsch, der mit acht Zählern nur Rang 20 belegte, landeten hinter den Medaillenplätzen. Der deutsche Nationalspieler Rustem Dautov musste sich gar mit dem 21. Platz bescheiden. Allerdings auch nicht unbedingt eine Sensation bei über 100 Titelträgern im 487 Teilnehmer zählenden Feld.

Mit so vielen Anmeldungen rechnet CCM-Organisator Hans-Walter Schmitt heuer nicht. „Dass wir Spieler auf Wartelisten setzen mussten, war ein Novum. Mit fast 500 Teilnehmern rechne ich nicht. Wenn wir diesmal 300 bis 400 anlocken, sind wir zufrieden“, erklärt der Bad Sodener. Dass der 50-Jährige Präsident der Frankfurt Chess Tigers aber alles unternimmt, um noch mehr Stars in die Rheingoldhalle ans Brett zu bringen, sieht man am Preisfonds: „Mancher Veranstalter wirbt damit, dass alle Startgelder als Preise ausgezahlt werden. Wir legen auf diese Summe nochmals 15.000 Euro drauf!“, verspricht Schmitt. Das Startgeld im Ordix Open, das am 17. (Anmeldeschluss 12 Uhr) und 18. August im Congress Centrum Mainz ausgetragen wird, beträgt bei Voranmeldung – weitere Informationen dazu finden sich am Ende des Textes - 40 Euro. Jugendliche und FIDE-Meister zahlen 15 Euro weniger. In diesen Preisen ist zudem der Eintritt für die allabendlichen Top-Veranstaltungen (6 bzw. ermäßigt 4 Euro) enthalten. CCM-Titelverteidiger Viswanathan Anand wird von seinem Nachfolger als FIDE-Weltmeister, Ruslan Ponomarjow, gefordert. Zeitgleich ab 18.30 Uhr tragen überdies die 17-jährige Elisabeth Pähtz und die 18-jährige Vizeweltmeisterin Alexandra Kostenjuk das „Duell der Grazien“ über acht Schnellschach-Partien aus.

Neben den Sachpreisen in Höhe von 2.200 Euro werden sich 51 Geldpreise über die Besten des Ordix Opens ergießen. Darunter zahlreiche Ratingpreise von unter 1750 DWZ bis hoch auf 2400 Elo (600 Euro), Damen und Senioren (je 250 Euro). Auf den ersten Blick kann der Gewinner des Turniers 7.000 Euro kassieren. Diese Rekordsumme bei den Chess Classic ist aber nicht leicht zu ergattern. Wieder einmal ließ sich Schmitt etwas Besonderes einfallen: Nach dem hoffnungsvollen Beginn im Fischer Random Chess will der 50-Jährige diese Schach-Variante bei den CCM weiter fördern. Deshalb schaltet der Macher am 15. (Anmeldeschluss 12 Uhr/der Donnerstag, Mariä Himmelfahrt, ist in einigen Bundesländern ein Feiertag) und 16. August ein Turnier im Fischer Random Chess vor. Nur heißt es nicht Fischer Random Chess, sondern soll einprägsamer Chess960 genannt werden. Die Zahl 960 gibt hierbei die unterschiedlichen Möglichkeiten, die bei der Auslosung der Startaufstellung aufs Brett gelangen können, an. Um ein Tohuwabohu zu vermeiden, müssen die Akteure die Figurenstellung vor dem ersten Zug nicht selbst ermitteln. Die Auslosung übernimmt die Turnierleitung, die den Spielern vor jeder Runde die Startvariante auf einer Großbild-Leinwand zeigt. „Da wir unter der Woche spielen, rechne ich nur mit 100 bis 120 Teilnehmern“, schätzt Hans-Walter Schmitt eher vorsichtig. An der Klasse der Chess960-Spieler gibt es aber bereits jetzt keinen Zweifel: Mit dem Weltranglisten-16. Swidler und dem Weltranglisten-19. Drejew lassen zwei Topleute wenig Berührungsängste mit der neuen Variante erkennen. Die Resonanz anderer Topspieler fiel bereits im Vorjahr positiv aus, als Peter Leko Adams im ersten „WM-Match“ im Fischer Random Chess in Mainz mit 4,5:3,5 schlug. Leko hob einen Vorteil des „Freistil-Schachs“ besonders hervor: „Endlich muss man sich nicht mehr die ganze Nacht hindurch mit den Eröffnungszügen des nächsten Gegners plagen. Die beste Vorbereitung für den nächsten Tag besteht darin, gut zu schlafen!“ Wladimir Kramnik beschäftigte sich nach dem „Duell der Weltmeister“ im Congress Center Mainz mit der neuen Variante – und war begeistert. Der Russe konnte sich nicht mehr davon lösen und bestritt mit seinem spanischen Sekundanten Miguel Illescas rund 40 Blitzpartien im Fischer Random Chess! Gegenüber Schmitt ulkte der Weltmeister, dass Garri Kasparow sicher auch sehr davon angetan sei. „Schließlich kann er bei den 960 Startpositionen einen Haufen neue Varianten aushecken!“ Besonders angetan zeigte sich im Vorjahr auch Moderator Eric Lobron von Chess960. Der Lokalmatador aus Wiesbaden ist ebenso wie Lajos Portisch einer der weiteren Großmeister, die das Experiment nicht scheuen. Am meisten Erfahrung hat dabei gewiss der Ungar: „Ich habe mit Bobby Fischer selbst viele Partien im Fischer Random Chess gespielt“, berichtet der vielfache WM-Kandidat Portisch.

Um möglichst viele Anhänger für „sein“ Chess960 zu gewinnen, ermäßigt Schmitt nicht nur das Startgeld für Spieler, die an beiden Open teilnehmen um zehn Euro. Anstatt jeweils 40 Euro pro Wettbewerb müssen nur insgesamt 70 Euro (FIDE-Meister und Jugendliche 45 Euro) überwiesen werden. „Ich will, dass das Spielen gefördert wird. Deshalb ist die Kombinations-Anmeldung billiger“, äußert der CCM-Organisator und verweist auf die weiteren freien Eintrittskarten, die es am 15. und 16. August für Turnierteilnehmer gibt. Anand und Peter Swidler messen sich am Donnerstag mit Oberbürgermeister Jens Beutel und einem Prominenten im Advanced Chess. Während die Weltklasse-Cracks schwache Rechner für ihre Programme erhalten, sollen der Mainzer OB und der Prominente im „Handicap-Duell“ eher eine Chance durch schnelle PCs haben. Am Freitag finden die ersten drei Partien der Vergleiche zwischen Anand und Ponomarjow sowie Pähtz und Kostenjuk (alle ab 18.30 Uhr) statt. In den wie im Ordix Open ausgetragenen elf Runden geht es auch um ein ansehnliches Preisgeld. Von den 30.000 Euro fließt gemäß den Meldezahlen ein prozentualer Anteil in das Chess960 Open. Nehmen beispielsweise 100 Spieler das Chess960 in Angriff und 400 das Ordix Open, wandert ein Fünftel des Preisfonds (6.000 Euro) ins Chess960 Open, 80 Prozent (24.000 Euro) blieben den Besten im anschließenden Turnier. Außerdem gibt es eine Kombinationswertung, bei der der erfolgreichste Punktesammler in beiden Wettbewerben 1.000 Euro einstreicht. 700, 400, 200 und 100 Euro (sowie fünf Sachpreise) runden die Sonderausschüttung ab. Nicht nur Schmitt ist gespannt, wie die Schachspieler den ambitionierten Versuch, Chess960 zu etablieren, annehmen.   

Anmeldung Open:   Juergen.Wienecke@t-online.de, Johannesallee 17, 65929 Frankfurt, Telefon: 069/300 88 591; Einzahlung des Startgeldes mit den Angaben: Name/Elo-DWZ/Verein/Geburtsjahr, Bankverbindung: Taunus-Sparkasse, Frankfurt-Höchst, Konto-Nr: 39 90 94 (BLZ 512 50 000).

Gegen den Weltmeister oder die schöne Vizeweltmeisterin?

Simultanspieler haben bei den Chess Classic die Qual der Wahl zwischen Ponomarjow und Kostenjuk 

Von Hartmut Metz

Zu den Höhepunkten bei den Chess Classic zählen alljährlich auch die Simultans. Finden andernorts Spiele von Großmeistern gegen Amateure kaum noch eine zahlende Klientel, dümpeln in Mainz die Simultan-Duelle alles andere als dahin. Einfacher Grund: Organisator Hans-Walter Schmitt lädt nur die Besten ein und gönnt sich selbst Jahr für Jahr das Kräftemessen gegen die Weltmeister und jene, die es noch werden wollen. Die illustre Liste der Großmeister liest sich wie das „Who is who“ des internationalen Schachs: Wladimir Kramnik, Viswanathan Anand, Wassili Iwantschuk, Judit Polgar, Peter Leko, Wesselin Topalow und Garri Kasparow hielten sich an die „Chess-Classic-Norm“, wie sie Schmitt nennt. Norm bedeutet 40 Bretter – selbst Kasparow, der bevorzugt 25 leichte Gegner mit nicht allzu hoher Wertungszahl abschlachtet, konnte sich nicht widersetzen und erfüllte sie. Der Run auf das Simultan mit ihm 2000 war dann auch größer als jemals zuvor und danach. Bis zu 1.000 Mark wurden für einen Platz bei der Internet-Versteigerung geboten!

Dieser Rekord ist schwerlich zu steigern. Aber vielleicht gibt ein Fan der beiden Protagonisten bei den Chess Classic Mainz (CCM) noch mehr aus? Zum einen gibt Ruslan Ponomarjow als FIDE-Weltmeister am 14. August sein Deutschland-Debüt in der Rheingoldhalle. Um 15 Uhr bittet der jüngste Champion aller Zeiten zur Pressekonferenz, eine Stunde später misst sich der Ukrainer mit 40 Amateuren, für die die Teilnahme sicher ein Leben lang unvergesslich bleiben wird. Bei der Versteigerung von 20 Plätzen auf der Webseite www.chesstigers.de wird das Mindestgebot von 75 Euro gewiss deutlich übertroffen. Am 29. Juni beginnt die erste Runde. Am 6., 13., 20. und 27. Juli sowie 3. August werden die ersten Simultan-Plätze vergeben. Bei der Schlussvergabe am 10. August erhalten die weiteren zehn höchsten Gebote ebenfalls den Zuschlag.

Alexandra KostenjukWer nun glaubt, die Offerten für eine Partie gegen den jungen Weltmeister könnten durch keinen anderen Spieler übertroffen werden, der kann rasch eines Besseren belehrt werden. Am 14. August um 17 Uhr gibt nämlich überdies Alexandra Kostenjuk ein Simultan an 25 Brettern. Die „Anna Kurnikowa des Schachs“ machte durch hübsch in Szene gesetzte Fotos auf sich aufmerksam. Im Gegensatz zu der Tennis-Diva ließ die 18-jährige Russin aber auch sportliche Taten folgen. Bei der FIDE-WM im Dezember 2001 unterlag sie erst im Finale denkbar knapp der neuen chinesischen Weltmeisterin Zhu Chen. Ihr Erfolg gepaart mit einer gelungenen Vermarktung als Schach-Lolita sorgte dafür, dass die junge Großmeisterin, die bereits mit 14 den Titel eroberte, in der Gunst der Verehrer kräftig stieg. Bei der Abstimmung zum „Schachspieler des Jahres“ auf der Webseite des Hamburger Schach-Software-Riesen ChessBase überflügelte die Vizeweltmeisterin sogar Garri Kasparow und belegte sensationell Platz eins. Nicht nur in Russland schmückt Kostenjuk Titelseiten der Gazetten, auch in Deutschland fand sie Eingang in fast alle großen Magazine. Deshalb ist es nicht auszuschließen, dass mancher Fan nicht nur das Mindestgebot von 40 Euro für eines der 20 zu versteigernden Bretter mailt, sondern womöglich sein letztes Hemd gibt, um einmal der Schach-Prinzessin Auge in Auge gegenüber zu sein.

Informationen zu allen Turnieren der Chess Classic Mainz finden sich auf der Webseite www.chesstigers.de .   

 
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