Hans-Walter Schmitt ist Unternehmer, Manager, Organisator und Schachfan. Er hat die Chess Classic Mainz zu einer der wichtigsten Schachveranstaltungen Deutschlands und zum bedeutendsten Schnellschachturnier der Welt gemacht. Mit KARL sprach der Chess960 Förderer über seine Faszination für Fischer, seinen beruflichen Werdegang, die Notwendigkeit, langfristig zu denken und die Kunst der Vermarktung des Schachs.
Am Mittwoch, den 28.03. ist der Impresario des deutschen Schach gemeinsam mit IM Andreas Schenk Gast der 3. Baden-Badener Talkrunde 'Das Schachgespräch' mit Moderator Ferdinand Bäuerle.
Baden-Badener Schachgespräch
Hans-Walter Schmitt wurde 1952 in Oberzerf, 20 km südlich von Trier geboren. Schach lernte er als 20-jähriger und spielt es seitdem mit Leidenschaft. Nach Medizinstudium und beruflichem Aufstieg als Manager bei Siemens organisierte Schmitt zahlreiche Schachveranstaltungen und Turniere. Seit 1994 macht er die Chess Classic Mainz, eine Veranstaltung, die jedes Jahr zahlreiche Großmeister und Hunderte von Amateuren anzieht und im Jahr 2000 die 10 besten Spieler der Welt in einem Schnellturnier vereinigt hat. Hans-Walter Schmitt ist der aktivsten Förderer des Chess960, das er mit Schnellschachturnieren und Wettkämpfen zwischen Spitzenspielern salonfähig machen möchte. 2005 rief er eine Kampagne „Free Bobby Fischer“ ins Leben, um die Auslieferung des Schachweltmeisters von 1972 bis 1975 in die USA zu verhindern.
Mit dem Schach-Förderverein Chess Tigers kümmert sich Schmitt um die Verbreitung des Schachs unter Jugendlichen, in Vereinen und Schulen und unterstützt als Ehrenvorsitzender des Hessenliga Vereins SC Frankfurt-West engagierte Vereins- und Jugendarbeit.
Hans-Walter Schmitt lebt als Unternehmensberater in Bad Soden am Taunus, ist verheiratet und spielt mit einer Elo-Zahl von 2088 in der Hessenliga..
Von Hans-Walter Schmitt
Schach gelernt habe ich als 20-jähriger. Fischer hat mich fasziniert. Natürlich der Wettkampf Fischer – Spasski, aber auch schon das Match Fischer – Taimanow. Was mich als 20-jährigen am meisten fasziniert hat, war der Mythos Fischer allein gegen die Welt. Er wollte keine Hilfe. Ich sage das auch immer den Leuten, die Simultan spielen: „Lasst euch nicht helfen. Ihr werdet euch nachher ärgern, denn ihr müsst den Sieg immer mit jemandem teilen.“ Diesen Mythos Fischer zu erleben war großartig. Leider hat er 1992 noch einmal gespielt und diesen Mythos zerstört, das hätte er nicht tun dürfen. Aber ich war auch ein ganz großer Fan von Capablanca, dessen einfaches, geradliniges, fehlerfreies Schach mich begeistert hat.
DAS ERSTE MAL IM SCHACHKLUB
Im September 1971 war ich das erste Mal im Schachklub – beim SK Unterliederbach wurde ich am 29.Januar 1972 Mitglied -, und diesen Tag werde ich mein ganzes Leben nicht vergessen. Ich bin da hereingekommen und mich hat überhaupt keiner ernst genommen. Ich war fast 20 Jahre alt, Mathematiker, Physiker, Logiker, es gab für mich keine Grenzen im Denken. Ich hatte in der Schule in Mathe, Physik, Natur- und Ingenieurwissenschaften, überall eine Eins. Ich wusste überhaupt nicht wie das funktioniert, dass ich in meinem Denken bis zum Anschlag komme. In Englisch und in Deutsch bin ich limitiert, aber im logischen Denken, da wusste ich nicht wohin mit meiner Kraft. Doch ich stehe in der Tür und niemand beachtet mich. Okay, nach vielleicht einer Viertelstunde kommt jemand auf mich zu, ein Mann mit Sonnenbrille, Ernst Hartwig hieß er, der hatte bei Höchst gearbeitet und sich die Augen verätzt, weshalb er auch in geschlossenen Räumen eine Sonnenbrille tragen musste. Er kommt also auf mich zu und fragt: „Willst Du eine spielen?“ Wir spielen eine Partie, am Ende hatte ich einen Randbauern, er einen Springer und er setzt mich noch Matt. Damals war gerade Klubmeisterschaft und es waren vielleicht 20, 25 Leute im Raum. Ernst ruft jetzt jeden ans Brett und zeigt ihm, wie er mich Matt gesetzt hat. Ich wäre am liebsten sofort nach Hause gefahren, aber ich wollte ja stark sein. Dann spielten wir noch zwei weitere Partien, die ich auch verlor. Anstandshalber ging ich dann noch mit an die Theke und habe eine Runde Bier ausgegeben.
Das hat mir keine Ruhe gelassen, doch in Schollbrunn vor fünf Jahren habe ich auch einmal einen 2000er so Matt gesetzt und anschließend alle kommen lassen: „Guck mal, wie ich den Matt gesetzt habe“. Damit war das Ding gesühnt.
Nach meiner Niederlage gegen Hartwig habe ich Schachbücher gelesen, Dufresne/Mieses, Lehrbuch des Schachspiels, Tarrasch, Das Schachspiel und noch ein Büchlein, dessen Titel ich nicht mehr erinnere – und dann bin ich in den Klub zurückgekehrt, weil ich dachte, ich hätte es ja drauf. Gleicher Gegner, zwei Mal Remis, zwei Mal verloren. Danach blieb ich eine Weile dort. Nach drei Jahren war ich Klubmeister, ich habe zuerst das Jugendturnier gewonnen, dann das B-Turnier, dann die Klubmeisterschaft.
ELTERN
Meine Eltern sind Unternehmer, sie haben einen Hof, eine Gastwirtschaft, ein Kolonialwarengeschäft, die Großväter hatten bereits ein Fuhr- bzw. Bauunternehmen eingebracht, aber sie haben mich nicht aufs Gymnasium gehen lassen. Ich musste in der Volksschule bleiben. Dafür gab es eine gute Begründung: Meine vier Jahre ältere Schwester ist aufs Gymnasium gegangen und hatte das vor lauter Heimweh nicht geschafft. Das wollten meine Eltern mir ersparen. Meine Lehrer in der Volksschule waren unglücklich, weil ich völlig unaufmerksam war, völlig unterfordert. Nach anderthalb Wochen hatte ich mein Rechenbuch abgeliefert und alle Aufgaben gelöst und wollte einfach nur in Ruhe gelassen werden. Ein Lehrer hat mir dann gesagt, ich solle etwas Sinnvolles machen und die Kleinen unterrichten, was ich auch oft tat.
Als ich zur Schule gegangen bin, bestand meine Klasse aus acht Jahrgängen. Nach drei Jahren teilte man die Klasse in die ersten drei und die letzten fünf Jahrgänge. Die einen gingen vormittags zur Schule, die anderen nachmittags. Mit vierzehn fing ich dann eine Lehre als Landmaschinenmechaniker an.
Doch mein Vater war ziemlich hart zu mir. Ich war wie er: diskussionsfreudig, durchschlagskräftig, geschickt, schlau, mit Lust am Argumentieren. Ich hatte drei Schwestern und einen jüngeren Bruder und wollte als ältester Sohn den Hof übernehmen. Aber er hat gesagt: „Du kriegst den Hof nicht. Du gehst auf die Schule.“ Er hat das damit begründet, dass ich mehr im Kopf hatte als mein jüngerer Bruder Stefan. Ich empfand das ziemlich unlogisch. Ich bin der Älteste, ich kann gut arbeiten, ich kann gut Geschäfte machen, ich bin ein sehr guter Mechaniker und jetzt schickt er mich weg.
Über den zweiten Bildungsweg habe ich mein Abitur mit einem Schnitt von 1,4 am Technischen Gymnasium in Frankfurt gemacht, und begann ebenfalls 1974 in Frankfurt das Medizinstudium. Ich habe das Physikum, das erste und zweite Staatsexamen gemacht, ich habe meine Praktika und meine Scheine alle gemacht und gedacht: Arzt, das ist ein guter Beruf für Dich. Aber das war ein Irrtum. Ich bin kein Helfer, sondern ein Macher. Doch bis ich meine Frau Cornelia kennen gelernt habe, fand ich den Absprung nicht. Meine Frau war die Einzige, die mir beistand, alle anderen waren gegen mich: meine Geschwister, meine Eltern und auch meine Großeltern, denen ich die größte Enttäuschung ihres Lebens bereitet habe.
Nach meinem Entschluss, kein Arzt zu werden, ging ich ein Jahr zur European Business School und beschäftigte mich am Control Data Institut mit Programm- und Systemanalyse. Mit meinem medizinischen Wissen, meinem Computerwissen und meinem Wirtschaftswissen habe ich mich anschließend beworben, fünf Bewerbungen weggeschickt, fünf Einladungen bekommen, fünf Jobs hätte ich nehmen können, die besten Firmen mit dabei. Ich entschied mich für Siemens, weil die einen großen Medizinsektor haben, und weil mich Heinz Barthel, der das Bewerbungsgespräch geführt hat und später mein Chef wurde, einfach begeistert hat.
UNTERNEHMER
Ich habe gemerkt, wie wichtig es ist, Unternehmermentalität zu haben. Mir liegt es, Unternehmer zu sein und mich reizen schwierige Situationen und schwierige Projekte. Nicht das Unmögliche, aber Projekte, wo keiner so richtig ran will. Bei Siemens wollte z.B. keiner das Thema UNIX oder Internet angehen, ich habe das dann gemacht.
Sehr wichtig ist mir Respekt. Ich mag keine Schulterklopfer. Gelobt zu werden ist mir nicht wichtig, doch von meinem Vater und meinem Großvater habe ich gelernt, wie wichtig es ist, Respekt zu bekommen. Ein bisschen gefürchtet zu sein, unnahbar zu sein, nicht alles auf der Zunge zu tragen, und Ideen, die man im Kopf hat, nicht sofort auszuplaudern, sie aber, wenn sie ausgesprochen werden, konsequent und nachhaltig umzusetzen. Denn sonst wird man irgendwann zum Schwätzer und nicht zum Strategen.
Bei Siemens bin ich relativ schnell in den oberen Führungskreis aufgestiegen, obwohl ich keinen Doktortitel oder ähnliche Dinge hatte. Aber ich war ein pragmatisch-konsequenter Macher. Meine Stärke liegt in der Umsetzung von Ideen. Nicht nur Ideen haben, sondern sie auch umsetzen.
Ein für mich unvergessliches Schlüsselerlebnis war es, als ich von meinem Opa lernte, einen Vierspänner zu fahren, um Holz aus dem Wald zum Sägewerk zu fahren. Als ich 13 Jahre alt war, konnte ich die Leinen halten, und mein Opa hat mir gezeigt, wie der Vierspänner zu fahren ist. Und eines hat er mir überdeutlich beigebracht, das werde ich mein Lebtag nie vergessen: die Pferde müssen richtig angespannt werden. Das ist der Schlüssel. Die starken Zugpferde hinten an der Deichsel, das Leitpferd vorne links und der Neuling vorne rechts. Wenn die Pferde nervös sind und es steht der lange Weg bergauf an, dann musst Du sie zum Stehen bringen, dann muss der Wagen stehen, dann müssen die Pferde stehen, die Pferde werden durchpariert, alle haben die gleiche Geschwindigkeit. Und dann neu anfangen, anfahren und alle Pferde gleichmäßig unter Last bringen. Die zwei Kilometer bergauf, das schaffen die dann, Pferde brauchen Aufmunterung, vertraute Ansprache des Lenkers und dann besitzen sie einen gehörigen Leistungswillen. Wenn man das durchparieren nicht macht, kriegt man in der Mitte des Berges Probleme.
Das ist die wichtigste Übung überhaupt. Um ein Team auf eine große Leistung einzustellen, muss man das Wir-Gefühl auf den Punkt bringen, diese Idee, jetzt wollen wir an einem Strang ziehen, für unsere Kunden da sein oder für unsere Gäste da sein. Nachher überlegen wir uns, was wir noch hätten besser machen können, aber zwischendrin wird nicht diskutiert.
SPRÜCHE
1976 habe ich den Schachspielern im Bolongarogarten gesagt: „Ich werde vielleicht kein guter Schachspieler, aber ich werde ein guter Unternehmer. Und ich werde dafür sorgen, dass ihr alle Weltklassespieler in Frankfurt sehen werdet.“ Im Bolongarogarten in Frankfurt-Höchst haben sich die Schachspieler getroffen, es wurde gespielt, aber noch mehr geredet und da habe ich dann irgendwann diesen Spruch abgelassen.
Wenn du dein Leben mit Vertrieb und Marketing verbringst, wenn du an der Schnittstelle zum Kunden bist und Slogans prägst, dann rutscht dir manchmal etwas heraus, das unbescheiden wirkt. Aber diese Slogans müssen so wirken, der „Hallo Hier“-Effekt muss da sein, da muss eine Schlagzeile drin sein – was nicht immer seriös ist. Ich habe einmal gesagt: „Schach muss lauter werden.“ Das wird auch immer wieder zitiert, denn wenn man einen richtigen Spruch macht, dann wird er zitiert. Diese Sprüche müssen einen Kern innere Überzeugung und Wahrheit enthalten und zukunftsträchtig sein. So ein Spruch muss eine Herausforderung enthalten, kompetitiv sein, elektrisieren. Und er muss aus meiner Sicht nicht unbedingt sofort erfüllbar sein. Ich werde es z.B. nicht mehr erleben, dass wir einen deutschen Weltmeister haben, ebenso wenig wie den Siegeszug von Chess960. Und manche, die mich schützen wollen und die wirklich Freunde sind, die sagen mir: „HW, Du verbrennst Dich doch an der Sache.“ Was meinen die damit? Die Auswanderer haben früher gesagt: „Dem Ersten den Tod, dem Zweiten die Not, dem Dritten das Brot.“ Das gilt auch für neue Entwicklungen. Man muss eine gewisse Leidenszeit aushalten, wenn man Veränderungen will, dann darf man sich nicht leicht umblasen lassen und muss einen langen Atem haben. 1994 habe ich aufgeschrieben, dass ich zehn Jahre haben will, um Schnellschach bis ans oberste Ende zu knüppeln. Nach sechs Jahren waren wir schon oben.
Ich kämpfe gern. Auch im Schach und oft konnte ich wichtige Partien so noch herumreißen.
SEIFERT – SCHMITT
2006
Der vorentscheidende Wettkampf gegen die Schachfreunde aus Neuberg begann mit einem Eklat – die Gastgeber besetzten das 1.Brett gegen unsere erstmalig in dieser Saison eingesetzte Nr.1 GM Eric Lobron mit einem „Strohmann“. Jeder, der mich ein bisschen kennt, weiß, dass ich geladen war, weil ich diese Variante ins Kalkül der gegnerischen Taktik gezogen hatte – aber unser Mannschaftsführer Uli Bonnaire redete mir mit plausiblen Argumenten ein, Eric nicht an Brett 2 mit Schwarz zu bringen. Hier kann ich nur sagen, dass mich im Nachhinein positiv stimmt, dass das Antizipieren noch gut bei mir klappt. Mein stämmiger 1991 geborener jugendlicher Gegner hatte bisher 5/5 und am 1.Brett der 2.Neuberger Mannschaft 3/3, was ich allerdings erst nach dem Spiel von einen Bekannten erfuhr. 1.e4 d5 2.exd5 Sf6 3.Lb5+ Ld7 4.Lc4 Lg4 5.f3 Lf5 6.g4 Lc8 7.Sc3 a6 8.a4 c6 9.dxc6 Sxc6 10.d3 Ende der Theorie: So hatte sich die Ex-Weltmeisterin Nona Gaprindaschwili im WM-Kampf im Jahre 1975 gegen Nana Alexandria verteidigt und dabei gewonnen. Sie wählte an dieser Stelle die Fortsetzung e5. 10…e6 Ich wählte den etwas besseren Zug aus und bot Remis an, weil Eric gerade den kampflosen Punkt eingestrichen hatte und ich deshalb mit Ihm den Ort der Schande schneller verlassen wollte – ich war immer noch auf 180. 11.Le3 Ohne mich eines Blickes zu würdigen oder gar ein Wort zu verlieren zog der junge Mann seelenruhig Le3, als hätte er die Schach-Psychologie in Reinkultur schon intus – jetzt war ich mindestens auf 255 und der Obertiger war richtig gereizt – Eric hatte als Einziger alles gesehen, was sich in mir abspielte und forderte mich auf: „Bleib ruhig, geh raus und kühl Dich ein bisschen im Schnee ab“ – was ich auch tat! Dann setzte ich mich wieder ans Brett und merkte so langsam wie die Form wieder kam – angstfrei und voller Power. 11…Lb4 12.Kf2?! eine zweifelhafte Idee. 12…Sd5 13.Sxd5 exd5 14.La2 Le6 Weiß hat einen Bauern mehr, aber der La2 und der Sg1 spielen noch nicht. 15.Se2 Dh4+? Wirklich nicht das Beste! 15…d4!? 16.Sxd4 Sxd4 mit leichtem Vorteil für Schwarz. 16.Kg2= h5 17.h3 De7 Weiß steht jetzt solide und der Rückzug der schwarzen Dame war noch das Beste. Dagegen ist 17…hxg4 18.hxg4 Dxh1+ 19.Dxh1 Txh1 20.Txh1+- klar besser für Weiß. 18.Sd4 0–0–0 19.De2 Tde8 20.c3 Ld6 21.Tae1 hxg4 22.fxg4= Weniger gut ist 22.hxg4 Txh1 23.Txh1 Ld7 mit Vorteil für Schwarz. 22…Dh4 23.Df2 Dh7 24.Lb1 Sxd4³ 25.Lxd4 Ld7 26.Txe8+= Txe8 27.Lc2 27.Dxf7!? ist erwägenswert 27…Te2+ 28.Kf3= 27…f5µ 28.Df3 Dg6 29.Ld1
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Weiß hatte nur noch fünf Minuten auf der Uhr und die Stellung ist kompliziert – sein Remisgeflüster überhörte ich jetzt einfach. 29…Tf8 30.De2 fxg4 Schwarz droht Matt und Weiß hat maximal noch 2 Minuten. Schwarz hatte noch satte 19 Minuten und spielte extrem langsam. 31.hxg4 Die weiße Königssicherheit hat sich verschlechtert, aber der Laden hält noch zusammen. Mit Blick auf die Uhr spielen aber andere Faktoren eine wichtige Rolle – Drohungen, Tricks, Panik, vergifteter Bauer auf d5! 31…Tf4 32.Th4 Tf8 Bescheidenheit ist manchmal das Richtige. 33.Th3 Tf4 34.Th4 Zweifache Stellungswiederholung 34…Tf8 35.b3 Mit weniger als 1 Minute auf der Uhr versucht Weiß die Zeitkontrolle zu schaffen, und weil uns ein Remis für den Mannschaftssieg gereicht hätte, wäre ein Remis durch Zugwiederholung kein Beinbruch gewesen, aber ich wollte auf jeden Fall trotzdem mit Te8 der Zugwiederholung ausweichen und seine knappe Zeit ausreizen. 35…Te8 36.Df3 Tf8 37.Dxd5?? Na also, geht doch! Nur 37.De2= hätte die Niederlage vermieden 37…Lc6–+ und Blättchen. 0–1
DIE CHESS CLASSIC
Aber zurück zur Turnierorganisation. Das Frustrierende ist, dass bei unserem Turnier keiner mehr fragt, wer da in der Spitze spielt. Das interessiert niemanden mehr. Die Leute sagen, das muss ja Weltklasse sein. Mindestens zehn 2.700er, mindestens so-und-so-viele aus der Weltspitze. Die Chess Classic haben den Nimbus erreicht, dass über die Spitze überhaupt nicht mehr geredet wird. Es wird alles geboten, die Spielbedingungen sind erstklassig, die Halle ist groß. Aber der Effekt war der, dass man sich sehr schnell an Höhenluft gewöhnt. Im Schach gibt es nicht diesen Boris Becker oder Tiger Woods Effekt – außer in Indien. Da ist Vishy Anand ein Star, da ist er Sportler des Jahres. Die Leute sind voller Ehrfurcht vor diesem jungen Kerl. Kommen zu seinem Tisch im Hotel, stellen sich mit ihrer Familie auf und wünschen sich nur eins: Mit ihm ein Bild machen zu dürfen. Und Anand macht das. Aber hier sind die Großmeister alle irgendwie unentdeckt, oder? Hübner hatte diesen Status einmal, aber er konnte diese Anerkennung nicht entgegen nehmen.
Ich war bei seinen Wettkämpfen als Zuschauer dabei, in Abano Terme, in Bozen und ich war stinkwütend, als er einfach nicht mehr kam. Aber es war schön, als er Portisch aus dem Wettbewerb geworfen hat, mit dieser Partie, die eigentlich schon verloren war und die er doch noch Remis gehalten hat. Ich war mit meinem besten, leider schon verstorbenen Freund Roland Donges da, das war einfach nur schön.
Auch Kasparow bin ich lange hinterher gereist, um gegen ihn Simultan spielen zu können. Ich konnte nie einen Simultanplatz bekommen. Dann habe ich hier im Parkhotel in Bad Soden ein Simultan veranstaltet, teilweise wurden bis zu 2.000,- DM für einen Platz bezahlt, aber ich als Veranstalter habe mir einen Platz gesichert. Leider kann ich heute kein Simultan mehr spielen, weil die Chess Classic so groß geworden sind, aber ich genieße es, die Leute glücklich zu sehen, wenn sie Simultan spielen, wenn sie Remis machen oder sogar gewinnen.
Die Chess Classic wurden anlässlich des 70-jährigen Geburtstages von Frankfurt-West ins Leben gerufen. Ich dachte, die Zeit wäre reif, einmal ein Turnier zu machen, und ich habe die Halle umsonst gekriegt. Dann lernte ich Anand kennen und war fasziniert, wie er Simultan spielt und mit mir umgeht. Ich habe zwei Simultan organisiert, vier hätte ich machen können, so groß war die Nachfrage. Vorher hatte Wolfram Runkel in der Zeit einen Bericht geschrieben „Der charismatischste Spieler der Welt: Der Inder Anand“.
Diese Ideen habe ich ein halbes, ein dreiviertel Jahr vorher im Verein vorgestellt, doch da haben sie mich ausgelacht: „Du Spinner, was soll denn das, den kriegst Du ja gar nicht. Du kannst ihn holen, musst ihn aber selbst bezahlen, der Verein darf nicht belastet werden.“ Ich habe in der Vorstandssitzung gesagt: „Okay, ich decke alle Verluste ab.“ Und dann habe ich am Ende der Veranstaltung einer der größten Fehler aller Zeiten gemacht und von der Bühne herunter gesagt: „Ich glaube, dieses Turnier hat euch so viel Spaß gemacht und ehrlich gesagt hat es uns auch einen Riesenspaß gemacht – wir machen das nächstes Jahr noch einmal.“ Meine Kollegen aus dem Verein und meine Mitarbeiter waren wie erstarrt: „Noch einmal so viel Arbeit“ und wollten mich abwählen. „Das hättest Du mit uns abstimmen müssen.“ Ich meinte dann: „Langsam, das können wir immer noch absagen.“ Das zweite Jahr war dann ein schlechtes Jahr, es war nicht mehr so leicht wie beim 70. Geburtstag Geld aufzutreiben. Aber ab dem dritten Mal ging es aufwärts und ab da haben wir auch mit optischen Mitteln gearbeitet, die Partien so übertragen, dass man sie auch im Sitzen verfolgen konnte.
PROBLEME MIT DEN STARS
Natürlich gab es immer Schwierigkeiten. 1998 hat Karpow drei Wochen vor dem Turnier abgesagt, weil Kasparow doch mitspielte. Das war eigentlich eine lustige Geschichte. In Wijk aan Zee im Hotel hatte er den Vertrag unterschrieben und ich habe gesagt: „Okay, Vishy und Kramnik spielen mit, jetzt Du und noch einen über 2700 will ich kriegen.“ Ich habe aber nicht gesagt, wer es ist. Er sagt, „Ist okay“, unterschreibt und fragt: „Und wer kommt in Frage?“ Ich antworte: „Am liebsten würde ich Kasparow oder Fischer nehmen.“ Da hat er mitleidig gelacht und ist seiner Wege gegangen.
Als ich Kasparow verpflichten konnte, schrieb Karpow plötzlich nicht mehr wie zuvor in Englisch, sondern in Russisch. Ich hatte eine Menge Arbeit beim Übersetzen. Und dann hat er tatsächlich drei Wochen vorher abgesagt. Da hat mich der Zorn gepackt und ich habe ihm eine gerichtliche Note zugestellt und ihm gesagt: „Wenn er nächstes Jahr nicht mitspielen würde, dann kostet ihn das 250.000$.“ Da hat er kleinlaut geantwortet, er würde spielen, auch wenn Kasparow dabei ist, aber er möchte genauso viel Geld wie Kasparow.
Innerhalb dieser vier Wochen ist es mir noch gelungen, die damalige Nummer vier der Welt, Iwantschuk, aufzutreiben, und damit war das ein Viererturnier mit einem Schnitt von Elo 2781, so hoch haben wir es noch nie geschafft, das ist Kategorie 22. Bei der Eröffnung hat Kasparow auf die Frage von Journalisten, ob es schlimm sei, dass Karpow abgesagt hat, geantwortet: „Nein, nein, das ist nicht schlimm, das Turnier ist stärker geworden.“
Es gibt bei Verhandlungen mit diesen Super-Egos ein einfaches Rezept: Du musst ein superstarkes Ego dagegensetzen. Und bei Verhandlungen mit Kasparow habe ich natürlich den Siemens-Boss heraushängen lassen: „Du musst nicht spielen, wenn Du nicht willst – dann gibt es aber auch kein Geld.“ Die Turniere sind natürlich schwer durchzuführen, weil die Spieler und ihre Manager zwischendrin immer noch irgendetwas ändern möchten. Die Auslosung rückgängig machen, aus dem Hotel ausziehen, und, und, und. Irgendetwas ist immer. Bei Kasparow habe ich mir einmal dreizehn Punkte aufgeschrieben, die er anders haben wollte. Einmal z.B. wollte er eine andere Kabine haben. Die beste Kabine in der Ballsporthalle hatte die Nummer Zwei, und die habe ich Kasparow gegeben. Vishy Eins, Kramnik drei, Karpow vier. Da ist Kasparow fast ausgeflippt: Er würde doch nicht in eine Kabine mit der Nummer Zwei gehen. Dann hat jeder einen Fahrer gehabt und einen 750er BMW. Kasparow war beeindruckt. Dann sieht er, dass die anderen auch so ein Auto haben, und ich war wieder unten durch. Er wollte immer mehr haben als die anderen.
Bei Kasparow ist das Absicht, da er das Turnier schon vor dem eigentlichen Turnier beginnt. Ich hatte z.B. einmal mit Lobron, Magath und Jussupow ausgelost, öffentlich. Ein Sechser-Turnier, er hat die Nummer vier und damit bei seinen ersten beiden Partien Schwarz. Da lässt er über seinen Manager Williams mitteilen, dass er nicht zu dem Turnier kommt, da er selbst oder wenigstens sein Anwalt anwesend sein muss, um eine Auslosung durchzuführen. Was andere vor Zeugen machen spielt keine Rolle. Okay, habe ich gesagt, dann müssen wir neu auslosen. Und wer hat die Vier gekriegt? Anand. Der hat mich mit einem tödlichen Blick angeguckt. Und wer hat gewonnen? Anand. Und er hat ein großes Dinner für 4 spendiert.
Die Spitzenspieler nutzen viele Tricks. 1997 hat Anand mit 4 aus 4 geführt, Karpov hatte 2 aus 4, Topalow ebenfalls. Dann kommt Karpow zu spät zur fünften Runde. Auf seiner Uhr waren bereits neun Minuten abgelaufen. Unser Schiedsrichter nimmt die Uhr und sagt zu Anand: „Das wollen wir doch nicht, dass jemand bei einem solchen Showturnier so unfair behandelt wird“ und stellt die Uhr zurück. Anand verliert die Partie. Und er kommt aus dem Turniersaal heraus – wir mochten uns da schon – und sagt: „Ist das ein Kirmesturnier hier, kennen Deine Leute nicht einmal die Regeln?“ Er hat sich ziemlich schnell eingekriegt, aber ich habe mich gefragt, ob ich das Turnier überhaupt noch im Griff habe.
Ein Jahr später geschieht das gleiche in Dortmund wieder. Karpow kommt 24 Minuten zu spät, allerdings in einer langen Partie. Der Schiedsrichter Lothar Schmid kommt zu Vishy und sagt: „Karpow kam aus dem Schwimmbad, er hat kein Taxi gekriegt, kann ich die Uhren wieder zurückstellen?“ Und Anand meinte: „Okay, wenn Sie meinen. Stellen Sie die Uhren wieder zurück.“
Dann gab es den Wettkampf gegen Judit Polgar. Judit hat den gleichen Trick angewandt, sie hat draußen gewartet, und darauf spekuliert, dass die Uhr zurückgestellt wird. Später hat sie das anders dargestellt, aber wir wissen das mittlerweile. Hätten wir die Zeit zurückgestellt, hätten wir Vishy in Nachteil gebracht. Ich habe mit Vishy darüber geredet und er hat gesagt, er schätzt Judit sehr hoch ein, aber die Regeln sind nun einmal die Regeln. Außerdem hat er geglaubt, dass sie ihn provozieren will, da es bekannt ist, dass er diese Schwäche hat – vier Fälle sind bereits vorgekommen. Und er dachte: Judit ist wirklich ein großer Großmeister – auch was die psychologischen Tricks angeht. Und er hat mir gesagt: „Wenn ich gewollt hätte, dann hätte ich 2 Minuten 39 Sekunden warten können, um dann zu ziehen.“
Ich war auch bei der Partie Kramnik – Karpow dabei, beim Millenium Turnier in Wien. Kramnik hatte sich bei der Anfangszeit vertan, weil sie eine Stunde früher als beim Vortag anfingen. Er kam nass geschwitzt an und auf seiner Uhr waren schon 58 Minuten abgelaufen. Da sagt der Schiedsrichter: „Ich rede einmal mit Karpow wegen der Zeit.“ Doch Karpow ließ nicht mit sich reden: „Nein, Kramnik muss so spielen.“ Kramnik verlor. Auf der einen Seite ist er unnachgiebig, auf der anderen Seite verlangt er, dass er nicht benachteiligt wird.
Ich glaube übrigens nicht, dass man dieses Gift zum Schachspielen braucht. Ich sage oft, wenn mir einer „weh“ getan hat oder den nötigen Respekt vermissen lässt: „Den werde ich mit Großzügigkeit abstrafen.“ Das ist obendrein echt hart für denjenigen und wie ich meine, nebenbei die moralische „Höchststrafe“. Einmal habe ich eine normale Turnierpartie von sechs Stunden gegen einen Blinden gespielt. Wir befanden uns in einer kritischen Stellung. Ich stehe gut mit Weiß und er macht einen Zug, der verliert. Ich komme von der Toilette, stehe hinter ihm, aber er merkt nicht, dass ich schon wieder da bin. Also fragt er seinen Betreuer, ob ich schon zurückgekehrt bin. Der sieht mich nicht und der Blinde nimmt seinen Zug zurück. Der Schiedsrichter sagt nichts, fünfzehn Zuschauer ebenfalls nicht. Ich setze mich ans Brett und sage: „Wenn Sie einverstanden sind, biete ich Ihnen jetzt Remis an.“ Und er: „Ja, haben Sie das gesehen?“ „Ja, das habe ich gesehen, aber trotzdem biete ich Ihnen Remis an, denn ich möchte mich selber schützen, damit ich nicht explodiere.“
Wir machen Remis und haben uns an den folgenden Tagen immer höflich gegrüßt. Er hat sich furchtbar geschämt, dass er sich hat verführen lassen, den Zug zurück zu nehmen. Ich lege deshalb Wert darauf, dass Kinder früh die Regeln lernen. Ich arbeite bei Kindern, die ich unterrichte mit gelber und roter Karte. Das begreifen die gut und lernen das so von Anfang an. Ein ehrenhafter Schachspieler zu sein ist doch mehr wert als Leute abzuzocken.
Chess960
Zum Chess960 kam ich, weil ich dachte: „Schach ist super“, aber Schach wird fraktioniert. Schach fasziniert. Es fasziniert Eltern, es fasziniert Nicht-Schachspieler, nur uns Schachspieler fasziniert es nicht. Meine Idee war es, die Wenig-Zeit-Inhaber anzusprechen, die im Beruf stehen, die ihre Karriere gestartet haben, die Familien gegründet haben. Und während die Karriere und das Familienleben erfolgreich nach oben geht, geht die DWZ nach unten, einfach weil diese Leute keine Zeit mehr haben Theorie zu bolzen.
Man muss von Anfang an kreativ sein. Mir gefällt das und bei einer meiner schönsten Chess960-Partien ist mir das gut gelungen.
SCHMITT – HENRICI
1.Main-Taunus-Cup, Bad Soden, 2005
SP 574
1.Sbc3 e5 2.e4 Lc5 3.f3! Den Zug muss ich eher oder später sowieso machen, also warum nicht gleich, wobei ich nur überlegte ob ich f2-f4 peitschen sollte. Die Chance auf ein solides Zentrumsspiel ließ mich aber vom „Krawall“ abkommen. 3…Lb6 4.Sd5 f5 5.S1c3!? Entwicklung hat Vorfahrt vor Bauernraub. 5…f4 6.Lxb6 axb6 7.Sxc7!! Kxc7 8.Sb5+ Der Springer kann schlecht vertrieben werden.
9.d4! Natürlich versucht Weiß, das Spiel zu öffnen. Es droht einfach d4-d5. 9…d5? 10.exd5+ Es ist eigentlich schon vorbei mit Schwarz. 10…Lxd5 11.c4! Der Schlüsselzug. Weiß erhält Übergewicht im Zentrum. 11…exd4? 11…Lf7!? 12.d5+ Kd7 13.g3!± und es droht Lh3. Die folgende Variante zeigt, wie man den schwarzen König im Zentrum angreift. 13…Lg6 (13…Sa6 14.gxf4) 14.Lh3+ Ke7 15.Sc7 Ta7 (15…Ta4 16.b3! +-; 15…Ta5 16.Txe5+ Kd6 17.Sxe8+ Lxe8 18.De1+-) 16.Txe5+ Kd6 17.De1! (17.Sxe8+ ist auch gut.) 17…Txe5 (17…Kxc7 18.Te7+ Kd6 (18…Sd7 19.De5+ Kc8 20.Lxd7#) 19.Db4#) 18.Sb5+ Kc5 19.b4+ Kxc4 20.Dc3+ Kxb5 21.Lf1+ +- 12.cxd5+ +- Schwarz kann seine Figuren nicht schnell genug ins Spiel bringen. 12…Kd7 13.Ld3 g6 14.Txe8 Dxe8 15.Kc2 15.Le4!? +- Wäre viel präziser gewesen. 15…Sa6± 16.Te1 Df7 17.Te4! Auf diesen Zug bin ich erst nach 15 Minuten gekommen. Ich dachte schon, Weiß hätte diese wunderbare Stellung völlig misshandelt. 17…Sb4+ 18.Kd2 Sxd3 18…Sxd5!? 19.h4! …Dh3 19…Se3 20.Dh3+ Sf5 21.Txf4 Se6 22.Lxf5 Ke7 23.Te4 …Dxf5? 24.Dxf5 gxf5 25.Txe6+! Kxe6 26.Sc7+ +- 19.Kxd3+- Df6 20.De1! Weiß bringt die Dame ins Spiel. Sehr gut ist auch 20.h4 Sf7 21.Dh3+ Df5 22.Dxf5+ gxf5 23.Txf4 Txa2 24.Txf5+-. 20…Tc8 21.b4 Der Turm darf nicht nach c5! 21…Df8?? 21…g5 22.Sxd4+-; 21…Sf7 22.Te6 Df5+ 23.Kxd4! +- …Te7 22.Dh4! +- h6 22…Tc1 23.Txf4 (23.d6 Kc8 24.De7+- 23…Dxb4 24.Dh3+ Ke8 25.Te4+ Kf8 26.Dh6+ Kg8 27.Dxc1+- 23.Dh3+ 23.Txf4! 23…Df5 24.Dxh6 Sf7 25.Dg7 ¹25.Dxf4 25…Te8 26.Kxd4 Kd8 27.Txe8+ Kxe8
28.Dxf7+ Schwarz gab auf.
Übrigens glaube ich nicht an Zufälle. Wir haben Chess960 am 9.6.96 im Trainingslager von Frankfurt-West in Schollbrunn das erste Mal ausprobiert, 09.06.96, da ist zwei Mal die Zahl 960 drin. Da waren wir alle ziemlich betrunken, denn das kostet schon ein wenig Überwindung. Erst 2003 habe ich diesen „Zufall“ bemerkt, als ein Bekannter von mir, der kein Schachspieler ist, gesagt hat: „Guck Dir doch mal das Datum an.“ Zwei Mal 960, ein Mal für Weiß, einmal für Schwarz.
Chess960 verkauft sich gut. Die Wenigzeitinhaber mögen das, die Kinder, die in der Schule lernen, und auch die Eltern dieser Kinder lechzen nach Kreativität und Eigenständigkeit. Und es gibt bislang kein einziges schlüssiges Argument gegen Chess960. Die Beleidigungen gegen mich, weil ich das fördere, sind natürlich beliebig groß, aber es gibt bislang kein einziges schlüssiges Argument dagegen.
Manchmal habe ich das Gefühl, Spieler wie Kasparow, Kramnik und Anand wissen alles über Schach. Sie wissen einfach Bescheid. Aber sie haben auch Angst vor dem neuen Spiel. Wo gehören die Figuren hin, welche Bauernstruktur muss ich anstreben? Und manche sind so an die alten Dinge gewöhnt, dass sie voller Angst auf die Bühne kommen, weil sie nicht wissen, welche Stellung auf dem Brett stehen wird. Das Ritual der Vorbereitung auf Partien ist eben auch dazu da, einem die Angst zu nehmen, ist das, was die Aufwärmrunde bei der Formel 1 ist.
Bei wichtigen Veranstaltungen, bei Meetings bereite ich mich auch vor. Mental. Ich stelle mich auf Fragen ein, spiele Möglichkeiten durch oder spreche mit anderen. Das gibt mir ein gutes Gefühl. Man darf das jedoch nicht übertreiben, denn man macht einen großen Fehler, wenn man alles perfekt vorbereiten möchte. Man muss Stichworte vorbereiten, um sich auf neue, unbekannte Entwicklungen einzustellen, um wach bleiben zu können. Das hat mich immer stark gemacht. Das ist im Prinzip nichts anderes als beim Schach. Ich habe keine Ahnung von Theorie, ich gucke, was schön aussieht und das spiele ich dann. Meine Kreativität, meine Ideen, die werden lebendig und dann rufe ich Muster ab, die ich einmal gelernt habe. Diese Mischung zwischen Wissen und hellwach sein, das lässt einen in Verhandlungen, in der Live-Situation stark sein.
Wichtig ist auch: Ich bin völlig angstfrei. Früher wollte ich anderen gefallen, nicht mir selber, ich wollte für die Galerie spielen. Heute tue ich Dinge für mich selbst, meine Frau oder meine Familie – und ich glaube, viele Schachspieler könnten eine ganze Reihe von Punkten dazugewinnen, wenn sie diese Angst ablegen. Für mich ist es wichtig, am Brett präsent zu sein, wenn ich spiele. Das gilt auch, wenn ich auf der Bühne stehe und etwas sage oder wenn ich verhandle. Die äußere Wirkung muss mit dem Gesprochenen übereinstimmen. Was ich sage, meine ich auch, und was ich sage, setze ich auch um.
CHESS TIGERS
Die Chess Tigers sind am 9.9.99 gegründet worden und zwar aus 9 Mitgliedern, die zum Teil aus Frankfurt-West hervorgingen. Das war eine Notgeburt. Die großen Turniere waren einfach mit der Struktur eines solch kleinen Vereins nicht mehr vereinbar. Die Leute dachten, sie müssten für mich arbeiten. Sie sagten: „Für Kasparow tut er alles, für uns tut er nichts.“ Obwohl ich im Jubiläumsjahr 1999, beim 75. Geburtstag des Vereins, als Vorsitzender mit meiner Crew insgesamt 12 Veranstaltungen durchgezogen habe, für alle Ebenen haben wir etwas getan. Aber die schlechte Stimmung war da, und wir haben gesagt, wir brauchen eine andere Struktur und haben diesen Förderverein gegründet. Die Idee war, diesen Förderverein für alle arbeiten zu lassen, um den Druck und die Rivalität herauszunehmen. Und man kann nur sagen, diese Entscheidung war goldrichtig, weil die Universität gut läuft und auch die Chess Classic seither viel besser laufen.
Die Chess Tigers organisieren Topturniere, wir stellen Material für Chess960 zur Verfügung, wir führen die IPS-Liste, wir machen eine Schnellschachrangliste, wir machen eine Schachuniversität mit Artur Jussupow, wir bieten momentan zwei Studienjahrgänge mit 17 Kursen und 680 Lektionen an. Schachlicher Leiter ist Arthur Jussupow.
Die Idee der Chess Tigers ist bei der Förderung des Schachs drei Dinge bewusst zu machen: 3.000 Leute in Deutschland sind Schachexperten, 100.000 sind in Vereinen organisiert und 20 Millionen haben Interesse am Schach. Und zwischen diesen Gruppen gibt es ganz feste Grenzen. Die möchte ich aufbrechen, aber mindestens aufweichen, um Schach populärer zu machen.